Jodmangel in der Schwangerschaft
Eine Information des Arbeitskreises Jodmangel
Immer noch weisen mehr als ein Prozent aller Neugeborenen in Deutschland eine Vergrößerung der Schilddrüse (Jodmangelstruma) auf; in manchen Regionen unseres Landes waren es bis vor wenigen Jahren sogar bis zu sechs Prozent. Und eines von 3000 neugeborenen Kindern leidet unter einer klinisch manifesten Hypothyreose, die, wenn sie nicht behandelt wird, zu einer fürchterlichen geistigen Mangelentwicklung, dem Vollbild des Kretins führt.
Einer internationalen Studie zufolge scheiden Neugeborene in Deutschland die niedrigste Jodmenge im Urin aus, so z.B. in Jena 0,8 µg/dl und in Berlin 2,8 µg/dl. Neugeborene mit ausreichender Jodversorgung haben dagegen eine Jodausscheidung von >10 µg/dl. Auch der Jodgehalt der Muttermilch liegt weiter unter der Norm.
Jod und Schilddrüse
Pro Tag benötigt die Schilddrüse eines Erwachsenen etwa 200 µg Jod, um den Stoffwechsel des Organismus bedarfsgerecht zu regulieren und eine Schilddrüsenvergrößerung zu verhindern. Die durchschnittliche Menge Jod, die bei uns über die tägliche Nahrung angeboten wird, beträgt dagegen nur ein Drittel der benötigten Jodmenge. Es besteht also bei Erwachsenen sowohl für Nichtschwangere, insbesondere aber für Schwangere, ein erhebliches Joddefizit.
Warum ist der Jodbedarf in der Schwangerschaft erhöht?
Daß der Jodbedarf einer Schwangeren deutlich über dem Jodbedarf einer Nichtschwangeren liegt, hat mehrere Ursachen: So sind der Grundumsatz des Stoffwechsels und die Ausscheidung über die Nieren erhöht, ebenso wie östrogenbedingt die Transportproteinspiegel* (daher wird mehr Thyroxin gebunden und der freie Hormonspiegel erniedrigt).
Zusätzlich fängt die fetale Schilddrüse bereits in der 12. Schwangerschaftswoche an, eigene Schilddrüsenhormone zu synthetisieren. Das hierzu benötigte Jod holt sich der kindliche Organismus aus dem mütterlichen Jodpool, der deswegen immer ausreichend versorgt sein muß.
* (TBG = Thyroxin-Bindendes-Globulin)
Folgen des Jodmangels in der Schwangerschaft
Bei einem Jodmangel während der Schwangerschaft ist die Schilddrüse oftmals nicht mehr in der Lage, den zusätzlichen Mehrbedarf an SD-Hormonen mit dem vorhandenen Jodangebot zu gewährleisten. Die Folge ist dann eine Vergrößerung der Schilddrüse (Struma), möglicherweise mit begleitender Unterfunktion (Hypothyreose). Dies kann im Extremfall zur Fehlgeburt führen.
Jodmangel hat weiter Auswirkungen auf den Fötus. So kann die fetale Schilddrüse bei Jodmangel entsprechend dem Entwicklungsstand nicht mehr ausreichend Hormone bilden, so daß diese bereits in der Fetalphase unnatürlich wachsen kann. Dies hat zur Folge, daß das Kind bereits mit einer behandlungsbedürftigen Struma geboren wird.
Bei einem Jodmangel treten ferner Fehlgeburten etwa dreimal häufiger auf als bei ausreichender Jodversorgung. Weiterhin ist die Unfruchtbarkeit in einer Reihe von Fällen durch Unterfunktion der Schilddrüse bedingt, die kausal auf eine Unterversorgung mit Jod zurückzuführen ist.
Untersuchungen in Jodmangelgebieten haben außerdem gezeigt, daß dort lebende Kinder im Vergleich zu Kindern aus ausreichend mit Jod versorgten Gebieten EEG-Veränderungen sowie Verzögerungen im Wachstum und der Knochenreife aufweisen können.
Jodversorgung in der Schwangerschaft
Verschiedene klinische Studien haben gezeigt, daß durch eine ausreichende Jodversorgung die Häufigkeit der Neugeborenenstrumen von 6 % auf 0,1 % gesenkt werden konnte. Damit ein ausreichend hohes Jodangebot für Mutter und Kind gewährleistet ist, sollten während der Gravidität und Stillzeit täglich mindestens 200 µg Jod in Tablettenform zusätzlich zugeführt werden.
Gleichzeitig sollten die Schwangeren darauf hingewiesen werden, im Haushalt sparsam zu salzen, aber ausschließlich jodiertes Speisesalz zu verwenden. Ferner sollte beim Kauf von Back- und Wurstwaren sowie Fertiglebensmitteln denjenigen der Vorzug gegeben werden, die mit jodiertem Speisesalz (Jodsalz) hergestellt sind.
Eine Gefahr, daß möglicherweise zuviel Jod aufgenommen wird, besteht nicht, da der Organismus außer bei Schilddrüsenüberfunktion (siehe unten) alles nichtbenötigte Jod über die Niere wieder ausscheidet.
Schilddrüsen-Funktionsstörungen in der Schwangerschaft
Eine Schilddrüsenunterfunktion muß während der Schwangerschaft durch Gabe von Schilddrüsenhormon an die Mutter ausgeglichen werden.
Jodbedarf in der Stillzeit
Auch in der Stillzeit ist der mütterliche Organismus auf eine erhöhte Jodzufuhr angewiesen, um zum einen für die Aufrechterhaltung der eigenen Stoffwechselaktivität zu sorgen, zum anderen aber auch dafür, daß auch der Säugling über die Muttermilch ausreichend mit Jod versorgt wird. Für die Jodversorgung von Stillenden gelten deshalb dieselben Empfehlungen wie für Schwangere.
Jodprophylaxe in der Schwangerschaft und Stillzeit
Täglich 200 µg Jodid in Tablettenform. Ausschließliche Verwendung von jodiertem Speisesalz im Haushalt. Verwendung von Back- und Wurstwaren sowie von Fertiglebensmitteln, die mit jodiertem Speisesalz hergestellt wurden. Regelmäßiger Verzehr von Seefisch und Milch.
Jodallergie
In den physiologischen Mengen, in denen dem Organismus durch die beschriebenen Prophylaxe-Maßnahmen Jod zugeführt wird, besteht keine Gefahr einer möglichen Allergieentwicklung. Nur bei hochdosierten Jodgaben in Form von Kontrastmitteln besteht die Möglichkeit einer allergischen Reaktion.
Quelle: März 1993 / Herausgeber: Arbeitskreis Jodmangel, Organisationsstelle, Postfach 1541, 64505 Groß-Gerau, Telefon 06152/40021, Telefax: 06152/8 1788.